Volle Pulle daneben – veganes Mineralwasser

„Veganes Mineralwasser…. ach, das gibt es?!“ war wohl die Reaktion der meisten von uns, als sie das erste Mal den Funkspot von „Spreequell“ gehört haben. Ich wusste beispielsweise bislang auch nicht, dass mein Mineralwasser „tierisch“ ist.

Meine nächste Frage lautete dann: „Was soll das?“ – und diese Frage gab ich an zwei Studentinnen des IMK, Franziska Engelke und Karla Monteverde, weiter, die diese im Rahmen meines „Green Marketing“-Seminars beantworteten. „Wenn vegan tierisch gut schmeckt“ lautete der Titel ihrer Präsentation, auf deren Ergebnisse ich hier aufbaue. Und nein, das ist KEIN billiger Kalauer, sondern der offizielle Claim zum Produkt…

Was um Himmels willen ist an Mineralwasser nun vegan? Wer das wissen möchte, muss sich auf die Website von „Spreequell“ bequemen, wo es dann wie folgt erklärt wird (auch die folgenden Zitate sind, wenn nicht anders erwähnt, von dieser Website):

Hast du eigentlich gewusst, dass…

Getränke, wie Säfte oder Saftschorlen häufig mit Gelatine geklärt werden.Viele vegetarische oder vegane Lebensmittel enthalten Tierprodukte, die nicht auf der Verpackung angegeben werden müssen. Gelatine etwa wird genutzt, um Fruchtsäfte zu filtern. Auch kann sie als Träger von zugesetzten Vitaminen dienen. Spreequell „Mehr als Wasser“ wird ohne jegliche tierischen Hilfsmittel hergestellt – für unbedenklichen Genuss.

Na da kann doch der überzeugte Veganer tief und erleichtert durchatmen…. wenn sich vegan doch nur auf die Nahrungsmittelaufnahme beziehen würde. Tut es aber nicht. Vegan ist ein Lebensstil und Veganer achten darauf, dass in sämtlichen Produkten keine tierischen Bestandteile enthalten sind oder verwendet wurden. Schade für Spreequell, denn

Die Verpackung und den gesamten Produktionsprozess haben wir nicht umgestellt, da es ein sehr hoher Aufwand wäre, alle tierischen Hilfsstoffe im Produktionsprozess zu verbannen. Hieraus würden sich auch mehrere technische Nachteile ergeben, die es wert sind genau zu überprüfen.

Menno! Da fühlt sich doch der eine oder andere Verbraucher etwas verar….gackeiert, wie man auf Facebook im Beitrag von Johnny Cashdoe nachlesen kann:

  • WTF??? Darf ich erfahren welche tierischen ‚Hilfsstoffe‘ im Produktionsprozess eines Getränkeherstellers noch so vorkommen?!?^^
    Und welche Eigenschaften machen diese so unersetzbar, dass man nicht einmal bei den 2!!!! „veganen“ Produkten davon ablässt?
  • Spreequell: Das Getränk ist ohne tierische Gelatine geklärt und hat auch sonst keine tierischen Hilfsstoffe. Da wir mit vielen Zulieferern zusammenarbeiten, können wir auf die Verschlüsse, Kartonagen oder Hilfsstoffe an den Anlagen keinen direkten Einfluss nehmen, wie deren Produktion organisiert ist.

Aber dafür hat sich Spreequell auch ein schönes Siegel entwickeln lassen, auf dem groß „vegan“ steht – und etwas kleiner dann „ohne tierische Gelantine geklärt“.

Eigentlich ist das aber alles nur ein einzig großes Mißverständnis, denn das vegane Mineralwasser ist gar nicht für Veganer gemacht, sondern für eine ganz ganz andere Zielgruppe: Menschen, denen man den veganen Lifestyle erst einmal nahe bringen muss:

5 Gründe für eine vegane Ernährung

  1. Pflanzenkost hilft, Zivilisationskrankheiten zu reduzieren.
  2. Vegan leben ist aktiver Umwelt- und Klimaschutz.
  3. Tiere sind keine Ware sondern Lebewesen.
  4. Ohne Tierzucht lassen sich mehr Menschen ernähren.
  5. Vegan Kochen macht Spaß und fördert die Kreativität.

Als ob man das dem überzeugten Veganer erklären müsste…. Ich bezweifle auch, dass dieses Motiv tatsächlich ansprechend für vegane Konsumenten wirkt….

Nein, das ist nicht schlecht gemacht. Das soll wie ein Wimmelbild sein. Kein Scherz – wenn auch unfreiwillig komisch:

Auf den Spreequell Plakaten soll es ganz viel zu entdecken geben ähnlich wie bei den Wimmelbildern in Kinderbüchern. Berlin ist so lebendig und vielseitig, dass ein einzelnes Motiv das nicht wiedergeben könnte. Die Protagonisten sind alle Berliner und kennen Spreequell.

Und auch die „Spreequell „Mehr als Wasser“-Rezepte: Vegane Durstlöscher mit Kick für die nächste Cocktailparty oder für zwischendurch.“ werden wohl kaum der große Renner in der Friedrichshainer Szenegastronomie werden….

Nein, die Zielgruppe ist eindeutig die „Vorstadt-Mutti“, die in ihren bunten Blättchen und im Fernsehen gesehen hat, dass da in Berlin diese „tollen Hipster“ leben, die sich alle so komisch vegan ernähren. Und da auch die Mutti so ein kleines bißchen hip sein möchte und vor allen Dingen auch einen Schluck Berlin-Feeling abbekommen möchte (siehe Video am Ende), hat Spreequell konsequent dieses Wasser entwickelt. Der Vorstadt-Mutti ist es naürlich egal, ob die Flasche vegan ist oder nicht, Hauptsache, ihr wächst dann auch ein Hipster-Bärtchen.

Das Fazit von Karla und Franziska lautete dementsprechend statt „Volle Pulle leben“: Volle Pulle daneben! Also ich lass mir jetzt ein „green washing“-Siegel entwickeln – und Spreequell sind die ersten, die es verpasst bekommen.

Das einzig Tolle an Spreequell ist der Song von Freddy Fischer:

wenn da nur nicht diese Bilder wären…. 🙂

Vielen Dank für die tolle Arbeit an Franziska & Karla!

 

Sich einfach mal gepflegt vegan die Fresse polieren….

Es gibt keinen Lebensbereich, in dem es nicht lohnt, anders, „green“, zu denken – und damit auch Erfolg zu haben. Wer hätte schon gedacht, dass gerade im Bereich der MMA (Mixed Martial Arts) die zart-besaitenen Kämpfer Wert auf fair hergestellte vegane Kampfausrüstung legen würden? Unter dem sehr schönen Slogan: „Destroy your enemy, not your planet“ hat das Berliner Unternehmen Vehement großen Erfolg in der Herstellung und dem Vertrieb ebensolcher Materialien:

Die vegane Produktion, also der Verzicht auf tierische Anteile wie Leder, Nähte und Färbemittel ist dabei nicht nur die einzige Komponente: Hohe Qualität und lange Haltbarkeit sind das eine, die Produkte sind aber zudem sweatshop-free, d.h der Gründer Jan Lenarz und sein Team besuchen regelmäßig die mittlerweile auch zertifizierte Produktionsstätte in Pakistan, um sicherzustellen, dass die Näher fair bezahlt werden.

Ein Nischenprodukt? Mitnichten! Die Produkte verkaufen sich nicht nur in den EU-Ländern sehr gut, sondern auch im Mutterland der MMA, den Vereinigten Staaten, ist die Nachfrage so groß, dass ein eigenes Lager in Los Angeles eingerichtet wurde. Beschäftigt man sich mit dem scheinbaren Widerspruch „Kampfsport/Veganer“ etwas mehr, dann stellt man schnell fest, dass Kraft und Power nicht im geringsten mit Unmengen von Fleisch zu tun haben: Carl Lewis und Mike Tyson sind ebenso Veganer wie der stärkste Mann Europas, Patrik Baboumian, ein bekennender Pflanzenfresser:

,der in seinem Buch „Vegan ganz anders“ beschreibt, wie man auch ohne tierische Eiweiße groß und stark wird.

Umparken beginnt im Kopf – und wer hier (so wie ich) zunächst einmal staunt, merkt schnell, dass fair, vegan, nachhaltig, green tatsächlich in jedem Lebensbereich umgesetzt werden kann….

Vegan gedacht und frisch gebracht

Jahrzehntelang gab es selbst in der Metropole  (nun ja, lange Zeit Möchtegern-Metropole) Berlin höchstens zwei vegetarische Restaurants, wenn ich mich recht entsinne. In den letzten Jahren hat sich das radikal verändert: Erst rollte die vegetarische Welle durch die Stadt, um dann sogleich von der noch größeren Vegan-Welle abgelöst zu werden. Kaum ein angesagter Kiez, in dem  auf den Schiefertafeln der Restaurants nicht groß „unser veganes Angebot“ prangt.

Nur ein weiterer Großstadt-Hype? Glaube ich nicht, denn zum einen treibt es wirklich viele Menschen um, auf welche Art Lebensmittel heutzutage hergestellt werden und auch der Wunsch nach gesunder, leichter Ernährung wächst. Zum anderen – und das ist für mich beispielsweise ausschlaggebend – schmeckt veganes Essen einfach unglaublich gut und hat nichts mehr mit Selbstkasteiung und Körnerpicken zu tun.

Magdalena Norkauer studierte Lebensmitteltechnologie und erfuhr dabei auch, wie die konventionelle Ernährungswirtschaft arbeitet und welche Auswirkungen die industrialisierte Landwirtschaft mit sich bringt. Tatenlos das akzeptieren wollte sie nicht und gründete daher „Fresh Parsnip„, Berlins ersten veganen Lieferservice:

Vorbereitet werden die Speisen zwischen 0.00h und 6.00h und dann vor der Auslieferung schonend haltbar gemacht (als Lebensmitteltechnologin weiß sie schließlich, wie das optimal funktioniert), so dass 100% aller gesunden Bestandteile erhalten bleiben – denn natürlich werden weder Zusatz- noch Konservierungsstoffe benutzt. Und wenn schon „grün“, dann richtig und konsequent: Die Zutaten sind regional und werden saisonal verwendet, die Verpackungen sind plastikfrei und biologisch abbaubar, da entweder mikrowellen-geeignet aus Zuckerrohr-Bagasse oder Stärke hergestellt.

In jedem Tagespaket sind ein Frühstück, ein Mittag-, ein Abendessen sowie ein Snack enthalten – bei voller Nährstoffzufuhr, die ein Erwachsener benötigt, sind das dann trotzdem nur maximal 1.500 Kalorien: Wer also gesund abnehmen möchte, sollte sich das Angebot von „Fresh Parsnip“ einmal anschauen.

Natürlich hat das Ganze seinen Preis, aber wer auf seine Ernährung achten möchte, doch nicht die Zeit oder das Wissen hat, sich selbst vegan zu verwöhnen, dem sollte dieses Angebot durchaus etwas wert sein.

Was mich neben dem Geschmack fasziniert, ist die konsequent durchdachte und umgesetzte grüne Gründung, die mir zeigt, dass es heutzutage selbstverständlich möglich ist, jeden Geschäftsprozess in Hinblick auf grüne Aspekte zu optimieren – die junge Gründergeneration machen es uns vor!