Pumas Nachhaltigkeitsverständnis: ein bißchen klimaneutral und ansonsten unsozial

Prima! Puma präsentiert: den „grünsten Schuh aller Zeiten„, den Re-Suede.

In Marketing-Sprech liest sich das auf der Website dann so:

„Der PUMA Re-Suede wurde unter Verwendung der neuesten Materialien und Prozesse als eine ökofreundliche Produktneuheit entwickelt und setzt so die Tradition des unverwechselbaren Stils, des Lebensgefühls und der Innovation fort. Jeder Aspekt des Schuhs wurde im Hinblick auf seinen umweltverträglichen Einfluss entworfen, so auch das Obermaterial, die Innensohle, die Schnürsenkel und Teile des Futters, die alle aus 100 % recycelten Materialien und einer innovativen neuen Laufsohle bestehen. (…) Der PUMA Re-Suede kommt nach wie vor im Look und im Gefühl des originalen Suede daher, ist aber für den umweltbewußten Kunden konzipiert. Die Laufsohle ist aus Double R Rice Rubber hergestellt, bei dem ein Teil des Gummianteils durch Reishülsen ersetzt wird, einem natürlichen Beiprodukt aus der Lebensmittelindustrie. Somit verringert sich nicht nur der Gummianteil erheblich, sondern es lassen sich auch fossile Energien in der Produktion und landwirtschaftliche Resourcen einsparen, was diesen Schuh zum bisher nachhaltigsten PUMA-Produkt macht.“

Schön sieht er ja aus:

Aber immer, wenn ein Unternehmen derart auf die Nachhaltigkeitstrommel schlägt, sollte man doch noch einmal genauer hinschauen: Puma veröffentlicht zwar lobenswerter Weise regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht und gibt sich dabei auch klima-reumütig: „Rund 145 Millionen Euro müsste Puma eigentlich an die Natur bezahlen, um Schäden auszugleichen. Dafür gibt es aber heute kein internationales Verfahren“, zitiert die taz den Puma-Nachhaltigkeitsexperten Reiner Hengstmann. Eigentlich…

Doch „green“ bedeutet eben nicht mehr nur „klimaneutral“, sondern auch „sozial“ – und so stellt sich schnell nicht nur die Frage nach dem Umgang mit den Ressourcen bei der Produktion von Turnschuhen, sondern auch nach der fairen Bezahltung der Arbeiter in den Puma-Zulieferfabriken.  Die CI Romero behauptet, Puma lasse zu Hungerlöhnen produzieren und handele unethisch – und verweist auf die aktuelle Studie von „War on Want“

Und wie reagiert Puma auf die Vorwürfe? Überraschend ehrlich. Höhere Löhne würden die Produkte verteuern, denn auf den Gewinn könne und wolle Puma nicht verzichten, erklärt Puma-Vorstand Reiner Seitz im taz-Interview:

„Warum sagen Sie Ihren Zulieferern in Bangladesch nicht einfach, sie sollten den Arbeiterinnen 8.000 Taka, 78 Euro, monatlich zahlen – wodurch diese nach Berechnungen von Arbeitsrechtlern dann endlich ihren Grundbedarf finanzieren könnten?

Das würde bedeuten, dass die Preise unserer Produkte deutlich steigen. Und das wiederum würde die Wettbewerbsfähigkeit von Puma gegenüber den anderen Unternehmen in unserer Branche verschlechtern. (…)

Wenn Sie keinen Preisaufschlag erheben wollen, könnten Sie den Gewinn ein wenig reduzieren. Statt gut 230 Millionen Euro Nettoprofit wie 2011, blieben dann vielleicht 200 Millionen übrig – auch nicht schlecht. Erlauben das Ihre Aktionäre nicht?

Wir sind eine Europäische Aktiengesellschaft und müssen natürlich auch den Vorstellungen unserer Anteilseigner gerecht werden. (…)

Shareholder-Value vor Stakeholder-Value… na, da liest sich der Marketing-Website-Text zum Sneaker am Anfang doch gleich ganz anders, oder?

Wie steht das „nicht-grüne“ Unternehmen adidas zu diesen Vorwürfen? Im Interview mit der aktuellen „Wirtschaftswoche“ erklärt adidas-Chef Herbert Hainer, sehr wohl auf die Vorwürfe zu reagieren, seine Zulieferer nicht konsequent zu kontrollieren:

„Wir haben ihn mehrmals abgemahnt. Nachdem er sich nicht an unsere Vorgaben hielt, haben wir gesagt: Das war’s, finito, stopp, wir gehen raus. Drei Jahre später war die Fabrik pleite.(…)

Warum zahlen Ihre Zulieferer dann nur Hungerlöhne?

Das ist nicht richtig – wir zahlen grundsätzlich immer mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. (…) In El Savaldor liegt der Mindestlohn bei 170 Dollar – wer bei Adidas arbeitet bekommt 220 bis 230 Dollar, das ist mehr als ein Polizist oder ein Lehrer dort verdient.“

Das ist eben der Fluch des Nachhaltigkeitsberichts: Wenn Unternehmen wie Puma glauben, nur die Aspekte darstellen zu müssen, die gut ins eigene Konzept passen, dann sollten sie nicht verwundert sein, wenn die kritische Öffentlichkeit genau auf das schaut, was ausgelassen wurde. Nur ein bißchen „green marketing“ geht nach hinten los…

(Wer wissen will, wie man sein Unternehmen auf Nachhaltigkeit checken kann, um dann einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht zu verfassen und zu kommunizieren, der wende sich doch an „Hultgren und Partner„!)

Psst, ich bin bio – aber erzähl’s keinem weiter!

Kürzlich fand in Berlin der erste Trendwalk statt, der von dem Konsumsoziologen Ragnar Karl Willer und seiner Agentur Oc Eo entwickelt wurde – hier ein lesenswertes Interview dazu. Veranstaltet wurde dieser Trendwalk vom EcoShowroom – und leider leider hatte ich keine Zeit, um daran teilzunehmen.

Aber es gibt ja gute Journalistinnen und qualitativ-wertvolle Zeitungen, so das ich in der taz den Erfahrungsbericht von Brigitte Werneburg nachlesen konnte.  Ich stutzte jedoch, als ich dort dann las:

Bio ist Trend. Das ist uns allen klar. Was mir bislang aber nicht klar war und worüber erst der Spaziergang aufklärte: Es herrscht, zugespitzt gesagt, panische Angst vor Bio. Bio steht weiterhin, konkret wie symbolisch, unter dem Verdacht eines Mangels an Geschmack.

Was dazu führt, dass manche Anbieter zwar „bio“ sind, es aber lieber tunlichst verschweigen – wie beispielsweise „Efa’s Frozen Yoghurt„.

Laut taz fürchtet der Mitbegründer von Efa’s, die Kunden könnten mit „bio“ einen Geschmacksverlust assoziieren…

 

Noch ein 2. Beispiel möchte ich aus dem Artikel anführen: Technogym. Hätte ich zwar ebenfalls nie vermutet, aber auch dieses Unternehmen achtet außerordentlich stark auf umweltfreundliche und soziale Aspekte:

 

Und auch Technogym scheint nicht an eine verkaufsfördernde Wirkung zu glauben, denn „öffentlichkeitswirksam“ sieht anders aus, als tief versteckt auf der Website davon zu erzählen…

Was ist los mit uns Konsumenten? Auf der einen Seite fordern wir immer mehr „bio“ und „fair“ und „umweltverträglich“ und „gesund“, auf der anderen Seite fürchten wir unsere Forderungen anscheinend zeitgleich und bringen sie mit „teuer“, „geschmacklos“ und „nicht ernst gemeint“ in Verbindung. Sind das alles nur Lippenbekenntnisse? Oder haben die Unternehmen zwar ein grünes Herz, tragen es aber eher in der Hose? Der Blick auf die ökonomischen Erfolge der „nicht-grünen“ Massenproduzenten mag den ein oder anderen vielleicht mutlos werden lassen…?

Wenn die Unternehmen zögerlich sind, so ist es umso mehr die Aufgabe der Medien, der Blogger und von uns als Konsumenten, die „Guten“ publik zu machen, über sie zu reden, sie zu unterstützen und ihnen die Öffentlichkeit zu verschaffen, die sie auch verdienen. Märkte sind Gespräche – in diesem Sinne: Sprecht! 🙂

 

 

 

 

 

Blut am Apfel – make IT fair!

Schon im makketing-Blog habe ich über das Apple-Problem der wachsenden Aufmerksamkeit über die Produktionsbedingungen in den Foxconn-Fabriken geschrieben, nun war Hannes Koch für die taz vor Ort und hat sich ein Bild über die Situation gemacht.

6-Tage-Woche mit 12 Stunden-Schichten, unbezahlte Pausen und regelmäßige, unbezahlte Überstunden von bis zu 80 Stunden im Monat – das sind die Arbeitsbedingungen, die 13 Arbeiter der Foxconn in den Selbstmord getrieben haben. Laut Foxconn würde allerdings die Arbeiterinnen und Arbeiter ausdrücklich verlangen, mehr arbeiten zu dürfen, um so auch mehr Geld zu verdienen, aber ob das so stimmig ist, sei dahingestellt.

Doch inzwischen wächst der Druck auf Apple.

„Make IT fair“ hatte am 7. Mai zum internationalen Action Day aufgerufen, diesmal unter dem Motto „Time to bite into a fair apple“:

Auf der Website makeitfair.org kann man sich unter anderem ein Toolkit mit vielen Infomaterialen zum Weiterverteilen downloaden, wie z.B. eine Feedback-Karte, die beim nächstgelegenen Apple-Store abgegeben werden kann:

„„Ich wünsche mir faire und nachhaltige iPhones und IT-Produkte in Ihrem Angebot. Apple sollte seinen Zulieferern angemessene Preise zahlen. Damit würden Sie ermöglichen, dass alle ArbeiterInnen in der gesamten Lieferkette ein faires Stück vom Kuchen bekommen – also existenzsichernde Löhne erhalten. Zudem wünsche ich mir Informationen vom Hersteller Apple, wie er die Arbeitsbedingungen verbessert.
Vielen Dank!“

makeITfair hat sich jedoch nicht nur auf Apple eingeschossen, sondern verfolgt als europäische Organisation die Aktivitäten und Produktionsbedingungen aller Hersteller von Consumer Electronics wie Mobiltelefonen, Laptops und MP3-Playern. Sie behalten dabei die Arbeitsbedingungen, den Umweltschutz in der Produktion, aber auch den Vertrieb und die Lieferketten im Auge.

Hannes Koch schreibt, dass der Verbraucher es vorziehen würde, die unangenehmen Informationen über seine geliebten Produkte zu ignorieren. Doch: Kann uns das wirklich weiterhin alles egal sein?