Bio, green, fair – den meisten von uns ist klar, dass für eine bessere und aufwändigere Produktion auch mehr bezahlt werden muss. Nur: Wie viel mehr ist denn mehr? In den seltensten Fällen werden den Konsumenten die Produktionskosten oder Preiskalkulationen transparent gemacht. Was ist also gerechtfertigt? Oder wird tatsächlich manchmal nur die hohe Preisbereitschaft (das grüne Gewissen kauft mit) der Kunden abgeschöpft?
Dr. Christian Haubach und Benjamin Held haben dazu jüngst in WISTA, dem Wissenschaftsmagazin des Statistischen Bundesamtes, die Ergebnisse ihres warenkorbbaserten Preisvergleichs für „Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren“ veröffentlicht. Bei der Auswahl der nachhaltigen Produkte orientierten sie sich – ganz so wie Otto Normalkonsument – an Siegeln und Öko-Labeln, ohne zu überprüfen, ob diese Produkte tatsächlich nachhaltiger hergestellt wurden. Der endgültige Warenkorb enthielt dann 241 Produktspezifikationen, aber auch eine Einteilung in 5 Markensegmente, z.B. „markenlos“, „Marke nicht relevant“ oder „bekannte Marke“. Beim Vergleich gleichwertiger Markensegmente liegt der Preisaufschlag im Durchschnitt bei 83%. Die Mehrpreisbereitschaft bei Bio- und Öko-Produkten wird mit 10 – 20% angegeben, der maximale Preisaufschlag, der gerade noch vom Konsumenten akzeptiert wird, liegt bei 45%.
Höhere Preise bei Bio-Lebensmitteln werden also in diesem Maße nur von einem sehr kleinen Anteil der Bevölkerung akzeptiert – eine große Hürde für den Umstieg auf einen nachhaltigeren Konsum. Diese Werte gelten aber insbesondere für die bekannten Marken, also auch die Bio-Marken. Die Autoren stellen nämlich fest:
Der Verzicht auf die Markenfixierung ist jedoch mit deutlich geringeren Preisaufschlägen verbunden. Bei einem Umstieg von konventionellen Markenprodukten auf markenlose Produktalternativen beziehungsweise Preiseinstiegs-Handelsmarken liegt der Preisaufschlag des nachhaltigeren Warenkorbs beispielsweise mit 5% sogar unter der Mehrpreisbereitschaft der Konsumenten (…).
„Was nichts kostet, ist nichts wert; was viel kostet, ist viel wert.“, ist nicht nur eine von Omas Weisheiten, sondern auch ein ehernes Marketing-Gesetz in Sachen „Preis“. Ein günstiges Bioprodukt (also eines, das unter unserer Mehrpreisbereitschaft liegt), kann nicht wirklich gut und bio sein. Oder würdet ihr diesem freundlichen Discounter Glauben schenken?
Wenn es um Qualität geht, müssen wir glauben, denn wir wissen nicht. Wir sind in den seltensten Fällen bei der Produktion dabei. Je höher der Preis, desto fester der Glauben.
Themenwechsel: Weg von der Nahrung, hin zu den Textilien, denn hier meldet sich Christian von Daniels, der geschäftsführende Gesellschafter des Hemdenherstellers „van Laack“ zu Wort:
Bei einem Ladenverkaufspreis von im Schnitt 139 Euro pro Hemd ist sozialer Mehraufwand leichter drin als bei Billigware, könnte man meinen. „Bullshit“, widerspricht der Chef – gute Arbeitsbedingungen könne sich jeder Hersteller leisten. Er rechnet vor, dass die höheren Produktionskosten bei ihm pro Hemd gerade mal mit 1,50 Euro zu Buche schlagen. Für ein solches Teil würden aber auch 100 „Prozessminuten“ aufgewendet. Bei billigeren Textilien, von denen in kürzerer Zeit mehr produziert werden, betrügen die Mehrkosten daher nur wenige Cent pro Teil, die Kunden auch gern zu zahlen bereit seien. (…)
Von Daniels nimmt kein Blatt vor den Mund. So hat er die Kalkulation eines Hemdes öffentlich gemacht: Die Produktionskosten sind der kleinste Posten, der mit Abstand größte ist die Händlermarge. In der Branche kam das nicht so gut an, aber das ist ihm egal. „Wer die Zahlen herausfinden will, muss nur ein bisschen googeln.“ (Quelle)
Gutes kostet mehr. Aber wie viel mehr wir bereit sind, zu bezahlen, hängt eher von Preis- und Markenpsychologie und ganz viel Glauben ab, als vom Wissen.