Kürzlich sprach ich mit einer Freundin über nachhaltige Veranstaltungen. Ich meinte, sinngemäß, die nachhaltigste Veranstaltung ist die, die gar nicht stattfindet. Das war eher so dahin gesagt, schließlich ist Nachhaltigkeit ja nicht zuletzt durch Wirkung in die Zukunft definiert. So erntete ich als Reaktion auf meine kühne These Kopfschütteln, Augenbrauenzucken und einen mitleidigen Blick.
Heute weiß ich, dass ich so falsch gar nicht lag. Die Wintersportsaison ist im vollen Gange, nur der Schnee fehlt. Die Veranstalter pumpen tagelang Kunstschnee auf die Pisten. In Engelberg, wo am Wochenende ein Skisprung Weltcup stattfindet, werden mit LKW 3.000 Kubikmeter Schnee vom Gotthard angekarrt. Kameras werden so postiert, dass der Eindruck einer Winterlandschaft entsteht – tatsächlich aber ist die Piste ein weißes Band, das sich durch grüne Wiesen schlängelt. Schlimmstenfalls stehen Zuschauer am Ende in legerer Kleidung am Rand, von Winteratmosphäre keine Spur.
Veranstaltungen scheinen immer öfter von ihrem Umfeld völlig abgekoppelt. Ich erinnere mich an die Fußball WM in Südafrika, die wie ein Raumschiff außerirdischer Besucher gelandet zu sein schien. Die WM 2018 in Russland hat Distanzen von vielen tausend Kilometern zwischen den Stadien zu überbrücken. 2022 hält der Wanderzirkus dann in Katar, einem Land, das selbst nie Teilnehmer einer Fußball WM gewesen ist. Von 50 Grad Außentemperaturen sollen Stadien, Trainingsstätten und Fanzonen auf 27 Grad herunter klimatisiert werden.
Jetzt die gute Nachricht: Zurzeit basteln Experten aus 30 Ländern an der ISO 20121, der ersten internationalen Richtlinie für die Nachhaltigkeit von Veranstaltungen. Mit Normen verhält es sich allerdings so: egal ob ISO, DIN oder hausmeisterliche Schließzeitverordnung, es sind tote Geschöpfe, die erst noch mit Leben erfüllt werden wollen. Hoffentlich wird die ISO 20121 konsequent, ehrlich und nachvollziehbar angewendet. Sollte sie nur als Katalysator eines internationalen Ablasshandels (Branchenterminus: Zertifikate) dienen, wäre das enttäuschend. Der erste Prüfstein sind die olympischen Spiele 2012 in London.
Es liegt an uns, liebe Veranstalter, liebe Marketingfachleute und –interessierte, liebe Besucher, Konsumenten und kritische Verbraucher! Seid wachsam, neugierig und helle!
Mit eben jener Freundin war ich nach dem Gespräch übrigens im Ballett, wir sahen die göttliche Primaballerina Polina Semionova als Odette (und als ihr negatives Spiegelbild Odile). Keine Ahnung, ob an der Veranstaltung irgendetwas nachhaltig war. Aber es war traumhaft.
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